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Pilgern durch die Coronakrise - 25. November 2020

Liebe Wanderer und Wanderinnen in der Fremde der Pandemie,

vorweg darf ich mit Freude bekanntgeben, dass soeben ein neues Buch von mir erschienen ist und im Buchhandel bestellt werden kann: „Was der Seele Leben schenkt. Spiritualität aus Erde“. Ich hänge euch/ Ihnen den Werbeprospekt des Echter-Verlags an – vielleicht ist es ja da und dort ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Mitte November wurden in Dänemark rund 17 Millionen Nerze in großen Nerzfarmen notgeschlachtet. Einige von ihnen hatten sich vom Menschen mit Covid-19 infiziert und dann eine Variante des Virus ausgebildet, gegen die die meisten derzeit in Entwicklung befindlichen Impfstoffe wirkungslos sein werden. Und da sich in Dänemark bereits 200 Menschen mit dieser Variante angesteckt haben, versucht man diese nun mit allen Mitteln auszurotten, bevor sie in größeren Zahlen verbreitet wird. Denn sonst ist die nächste Pandemie bereits absehbar.

Die dänische Situation ist absolut apokalyptisch. Wir können nur inständig hoffen, dass die Dänen die Sache schnell und wirksam in den Griff bekommen. Sonst sind alle bisherigen Bemühungen im Kampf gegen Covid-19 Peanuts und völlig vergeblich. Was uns diese Vorgänge aber auch zeigen, ist, wie nah Mensch und Tier einander sind. Fast alle Pandemien der Menschheitsgeschichte sind durch Zoonosen verursacht worden, also durch die Übertragung der Erreger vom Tier auf den Menschen. Und nicht wenige haben Kreisläufe erzeugt wie jetzt in Dänemark, wo ein Virus vom Wildtier auf den Menschen, vom Menschen auf ein Nutztier und von diesem wieder zurück auf den Menschen springt. Unsere Verwandtschaft mit den (Säuge-) Tieren ist eben doch außerordentlich groß, und die wichtigsten Organe funktionieren nach denselben Grundprinzipien. Das macht es den Viren sehr einfach. Umso mehr müssen wir Menschen uns fragen, welche Rahmenbedingungen wir uns für den Kontakt mit Tieren zukünftig geben wollen.

Ende Oktober hat sich das IPBES, das „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“, auf Deutsch die zwischen den Regierungen etablierte Wissenschafts-Plattform für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen, mit einer Aufsehen erregenden Stellungnahme zu Wort gemeldet. Das IPBES ist das spiegelbildliche Instrument der Weltgemeinschaft zum IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Change, das weithin als „Weltklimarat“ bezeichnet wird. IPBES wäre also der „Weltbiodiversitätsrat“.

Das IPBES schätzt, dass zwischen 540.000 und 850.000 unbekannte Viren, die in Wildtieren vorhanden sind, auf den Menschen überspringen und künftige Pandemien auslösen können. Solche Pandemien werden zudem häufiger auftreten, mehr Tote und mehr Geld kosten als die Covid-19-Pandemie. Wenn wir nichts dagegen tun. Die gute Botschaft: Die Kosten der Pandemieprävention sind nur 1% der Kosten einer Pandemie. Es lohnt sich also, in die Prävention zu investieren.

Die Ursachen von Pandemien, so das IPBES, sind dieselben wie die Ursachen der Klimaerwärmung und des Biodiversitätsverlusts: Erstens die Änderung der Landnutzung durch Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Feuchtland, Eindeichung der Gewässer usw. Zweitens die Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft. Und drittens nicht nachhaltige Produktion, Handel und Konsum von Gütern. Diese drei Ursachen sorgten für die Unterbrechung natürlicher Kreisläufe sowie für einen immer häufigeren Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren, was der Pfad für neue Pandemien sei. Wolle man Pandemieprävention betreiben, müssten genau diese Aktivitäten reduziert oder beendet werden sowie weltweit großflächige Naturschutzgebiete (wir reden da von 20 bis 50% der Landfläche!) aufgebaut werden.

Wir sind, so das IPBES, erstmals in der Lage, durch Medizin und Pharmazie bereits bestehende Pandemien nachträglich wirksam zu bekämpfen. Aber wir sind heute auch in der Lage, Pandemien vorsorglich zu vermeiden bzw. ihre Wahrscheinlichkeit erheblich zu verringern. Dazu schlägt das IPBES unter anderem folgende Maßnahmen vor:

  • Die massive Verringerung des globalen Wildtierhandels.
  • Die viel bessere Nutzung indigenen Wissens zur Pandemiebekämpfung.
  • Die konsequente Verfolgung des „One Health“-Ansatzes: „One Health“ meint, dass Gesundheitspolitik nicht mehr nur Sache des Gesundheitsministeriums sein darf. Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und Agrarpolitik sind auch Gesundheitspolitik! Das muss in Politik und Ministerien ankommen und ausdrücklich in allen Planungen berücksichtigt werden.
  • Die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips: Weil wir wissen, was Pandemien begünstigt, müssen wir die Kosten der Pandemie in jene Produkte internalisieren, die pandemiefördernd sind. So sollten z.B. auf intensiven industrialisierten Ackerbau, Massentierhaltung, Zerstörung wertvoller Ökosysteme und anderes Steuern erhoben werden, die dann zur Finanzierung einer Pandemie dienen, wenn diese eintritt. Momentan legen wir die Kosten der Pandemie auf alle um – und dann zahlen hauptsächlich unsere Kinder und Enkel. Das ist ungerecht, wenn man weiß, wer und was Pandemien verursacht.

Die durchschnittlichen Kosten von Pandemien schätzt das IPBES auf jährlich 1 Billion US-Dollar. Das sind 1000 Milliarden Dollar. Jährlich, also umgelegt auch auf die Jahre, in denen es keine Pandemie gibt. Eine unvorstellbar hohe Summe. Wenn die Pandemieprävention ihrerseits nur ein Prozent davon kostet, wären das 10 Milliarden Dollar jährlich – weltweit. Das könnte fast schon die Republik Österreich für die ganze Welt übernehmen, so wenig ist es. Der eigentliche Preis für gute Pandemieprävention ist kein Geldpreis, sondern ein Transformationspreis: Wir müssten die Art und Weise unseres Umgangs mit der Natur grundlegend verändern. In Wirtschaft und Landwirtschaft, in Konsum und Freizeitverhalten. Und das macht die Sache so schwierig. Ob wir es nach Ende der Corona-Krise nicht trotzdem versuchen sollten?

Mit dieser Frage grüßt euch/ Sie,

Michael Rosenberger