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Von Professor Dr. Michael Rosenberger

„Bei uns wird immer das Gleiche gebetet und gesungen“ – Sollten Wallfahrten inhaltlich aktuell gestaltet werden? Brauchen wir neue Pilgerlieder?

Auch bei den Wallfahrten, die ich gestalte, sind viele Gebete und Lieder jedes Jahr gleich. Und das hat gute Gründe. Wenn bestimmte Texte, Gebete und Lieder jedes Jahr zur gleichen Zeit auf der gleichen Wegstrecke gebetet oder gesungen werden, entlastet das zunächst die Vorbereitenden. Sie brauchen nicht jedes Jahr alles neu erfinden. Sie brauchen nicht jedes Mal völlig neue, noch nie gehörte Texte zusammenstellen. Aber es entlastet auch die Mitgehenden: Sie brauchen nicht jede Sekunde wie die Schießhunde aufpassen, damit sie richtig mitbeten oder mitsingen können. Sie brauchen nicht jedes einzelne Wort beachten, das vorgebetet oder vorgelesen wird. Sie können sich in viele vertraute Elemente fallen lassen, denn sie kennen sie bereits vom vergangenen Jahr.

Wiederkehrende Gebete und Lieder geben darüber hinaus auch eine gute Orientierung. Alle, die regelmäßig dieselbe Wallfahrt gehen, werden sie mit der Zeit verinnerlichen. Diese Texte und Melodien werden ihnen ans Herz wachsen und auch unterm Jahr Kraftquelle und Hilfe sein. Sie gewinnen den Charakter von Wegweisern, die wir verstehen und die uns ganz unaufdringlich die Richtung unseres Lebensweges anzeigen.

Und schließlich sorgt das alljährliche Beten und Singen des Gleichen dafür, dass wir uns auf der Wallfahrt beheimaten. So wie jedes Jahr dieselben Wege gegangen werden, wie man jedes Jahr zur selben Zeit an denselben Orten eine Rast einlegt oder in eine Kirche hineingeht, so wie es vielleicht sogar an denselben Tagen dieselbe Verpflegung gibt, so ist auch ein großer Teil der „geistlichen Verpflegung“ jedes Jahr derselbe. Da fühlen wir uns zuhause, obwohl wir eigentlich in der Fremde sind.

Drei gute Gründe also sprechen dafür, einen guten Teil der Texte, Gebete und Lieder alljährlich gleich zu lassen. Damit daraus aber wirklich eine segensreiche Wirkung im geschilderten Sinne entstehen kann, müssen drei Bedingungen erfüllt werden: Die Texte, Gebete und Lieder müssen in dreifacher Weise passen.

1)Sie müssen passen zu den einzelnen Phasen des inneren Weges, den Pilgernde unterwegs durchlaufen. Nicht jedes Gebet oder Lied passt an den Beginn, nicht jedes ans Ende eines Pilgerwegs. Nach Ignatius von Loyola durchlaufen Menschen auf dem Weg nach innen fünf Phasen (siehe Frage Nr. 18). Es gehört zur großen Kunst der Begleitung von Wallfahrten, den Phasen jeweils die richtigen, das heißt, die passenden Gebete und Lieder zuzuordnen.

2)Sie müssen passen zu einem zeitgemäßen Ausdruck des christlichen Glaubens. Der Glaubensinhalt ändert sich nicht – wohl aber die Form, in der wir unseren Glauben ausdrücken. Es war eines der zentralen Anliegen von Papst Johannes XXIII., das „Aggiornamento“, die „Verheutigung“ des Glaubens in unsere Zeit hinein zu vollziehen. Dazu rief er das Zweite Vatikanische Konzil zusammen, das zahlreiche Neuerungen brachte. Eine „Verheutigung“ brauchen auch viele alte Wallfahrtsgebete und -lieder. Unsere Vorfahren haben sie oft vor Jahrhunderten formuliert. Damals mögen sie zeitgemäß gewesen sein. Aber wenn sie es heute nicht mehr sind, sollte man sie umformulieren oder durch heutige Texte ersetzen.

3)Sie müssen inhaltlich wie vom Ausmaß her passen zu jenen Texten und Liedern, die bei jeder Wallfahrt neu und anders sind. Im Evangelium sagt Jesus (Mt 13,52): „Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.“ Neues und Altes, Altes und Neues! Wenn bei einer Wallfahrt wirklich alle Texte immer gleich sind, erstarrt die Wallfahrt. Wenn alle Texte jedes Mal neu sind, kann keine Frucht wachsen, denn die braucht Zeit und Wiederholung. Nur eine gesunde Mischung von Alt und Neu kann den Segen bringen, den sich Pilgernde erhoffen.