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Pilgern durch die Coronakrise - 27. Januar 2021

Liebe pilgernd Mobilen auf den Wegen des Lebens, 
 
vor gut einer Woche wurde in Österreich eine Studie veröffentlicht, in der die Alltagsmobilität der Menschen während der Lockdowns untersucht wurde. Das Ergebnis ist nicht sehr überraschend: Während des ersten Lockdowns im März und April 2020 waren die Menschen 70% weniger unterwegs. Während des zweiten Lockdowns im November reduzierte sich dieser Wert auf 45%, und während des dritten Lockdowns seit Weihnachten waren die Menschen nur noch 27% weniger unterwegs als vor Corona. Natürlich kann man solche Daten unterschiedlich deuten. Wenn die Menschen z.B. mehr zum Wandern allein oder mit der Familie wegfahren, wird sich die Infektionszahl nicht erhöhen. Allerdings ist zu vermuten, dass es nicht nur solche corona-konformen Mobilitätszwecke sind, die momentan wieder mehr verfolgt werden als im Frühjahr 2020. Und so dürfte darin doch ein Hinweis darauf liegen, dass die Corona-Müdigkeit uns verleitet, weniger achtsam und diszipliniert zu sein – mit dem Effekt, dass die Infektionszahlen nicht sinken und der Lockdown wieder und wieder verlängert werden muss. Wir schießen uns ein Eigentor nach dem anderen…
 
Vor genau einem Monat haben die Länder der Europäischen Union mit dem Impfen gegen das Corona-Virus begonnen. Schnell sprach man von einem holprigen Start und begann mit Schuldzuweisungen. Dabei übersieht man aber, dass der Impfstoff von BionTech-Pfizer äußerst komplexe Liefer-, Lagerungs- und Verabreichungsbedingungen hat. Und dass AstraZeneca sogar wortbrüchig werden dürfte, hat sich die Europäische Union sicher auch nicht gewünscht. Insofern werte ich die Kritik am angeblich zu langsamen Impfstart als Signal, dass viele schon sehnsüchtig auf die Impfung warten. Das kann ich sehr gut verstehen. Denn die Impfung wird uns einen Großteil unserer alten Freiheiten wiedergeben. Auf der anderen Seite stehen die ImpfskeptikerInnen. Manche zählen dazu aus Prinzip, manche glauben an wüsteste Schauergeschichten. Was also spricht nüchtern betrachtet für oder gegen das Impfen?
 
Zunächst einmal bedeutet jede Impfung die Verabreichung eines körperfremden Stoffs, der noch dazu einen „Angriff“ auf den Körper simulieren oder auf andere Weise Prozesse einleiten soll, die den Körper gegen das Virus abwehrfähig machen. Ja, dabei kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Allerdings durchlaufen alle Impfstoffe ein außerordentlich gründliches und strenges europäisches Zulassungsverfahren. Im Unterschied zu den USA und Großbritannien hat die EU keine Notfallzulassung erteilt, sondern ganz regulär geprüft. Grundlage dafür sind Studien an zigtausenden Freiwilligen, die sich im vergangenen Jahr als Versuchspersonen gemeldet hatten. Und diese Studien sind „doppelblind“, wie man sagt: Weder der Geimpfte noch der impfende Arzt weiß, ob jemand den echten Impfstoff oder nur ein „Placebo“ erhalten hat, also eine harmlose, aber wirkungslose Flüssigkeit. Das wissen nur diejenigen, die die Daten im Hintergrund auswerten und weder mit den Geimpften noch mit den Impfenden Kontakt haben.
 
Aus den Studien kann man einerseits etwas über die Wirksamkeit der Impfungen sagen – bei Biontech-Pfizer wie auch bei Moderna sind das 95 Prozent – als auch über auftretende Nebenwirkungen – und die sind selten sowie eher harmlos und gering. Schwere Nebenwirkungen sind extrem selten aufgetaucht, und man ist sich nicht einmal sicher, ob diese von der Impfung verursacht wurden oder auf andere Faktoren zurückgehen. Die Abwägung, die jeder Mensch für sich selber treffen muss, ist also das Risiko einer Covid-19-Erkrankung mit teilweise monatelangen (und vielleicht sogar lebenslangen) schweren Schäden bis hin zum Tod gegen das nahe Null liegende Risiko einer schweren Nebenwirkung der Impfung.
 
Die reguläre Zulassung der Impfstoffe in der Europäischen Union hat übrigens eine entscheidende juristische Folge: Während die Impfstoffhersteller in Großbritannien und den USA bei schweren Schädigungen von jeglicher Haftung befreit sind, tragen sie in Europa die volle Haftung. Dass sie diese auf sich nehmen, dürfte ein Signal sein, dass sie von der Harmlosigkeit der Nebenwirkungen der Impfung überzeugt sind.
 
Gegenwärtig gibt es kein Argument dafür, die Impfung für bestimmte Berufsgruppen verpflichtend zu machen. Denn erstens wissen wir noch nicht, ob die Impfung auch die Übertragung des Virus verhindert, und zweitens kann es ja durchaus sein, dass sich die Mehrheit der Menschen in Gesundheitsberufen freiwillig impfen lässt, so dass eine Pflicht hinfällig wäre. Entgegen ersten Umfragen, die wochenlang in den Medien verbreitet wurden, aber wissenschaftlich nicht repräsentativ waren (es waren Online-Umfragen unter ÄrztInnen und Pflegenden, an denen aber jeder beliebige Mensch teilnehmen konnte, wenn er wollte sogar mehrfach, was völlig absurd ist), gibt es derzeit überall dort, wo schon Impfungen angeboten werden, eine hohe Bereitschaft des medizinischen und pflegerischen Personals, sich impfen zu lassen. Die Quote erhöht sich offenbar noch bei der Zweitimpfung der Impfbereiten, so dass dann viele zusätzliche KollegInnen mitmachen, die beim ersten Termin gezögert haben.
 
In konservativ-katholischen Kreisen kursiert bereits seit April oder Mai 2020 ein Argument gegen Impfungen. Angeblich würden Stammzellen aus abgetriebenen Föten verwendet, und das könne doch ethisch nicht verantwortet werden. Dazu ist Folgendes zu sagen: In der Tat werden zur Entwicklung und Produktion einiger Impfstoffe Stammzellen aus Zelllinien von in den 1960er-Jahren abgegangenen Föten verwendet. Das betrifft mehrere Impfstoffe, von denen derzeit noch keiner in der Europäischen Union zugelassen ist – der erste wird vermutlich Ende dieser Woche der von AstraZeneca sein. Es geht also um Impfstoffe, die mit „alten“ Technologien arbeiten, die übrigens auch in etlichen schon lange etablierten Impfstoffen gegen andere Krankheiten zum Tragen kommen. Vermutlich sind viele von uns schon einmal mit einem solchen Impfstoff geimpft worden. Impfungen auf dieser Technologie sind verlässlich und billig, allerdings nicht so wirksam wie die absolut neue mRNA-Technologie der bislang bei uns zugelassenen Covid-19-Impfstoffe.
 
Aber kann man sich guten Gewissens mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff impfen lassen, wenn er denn zugelassen wird? Zunächst einmal ist überhaupt nicht klar, ob die Föten, aus denen die Urahnen der jetzt verwendeten Stammzellen abstammen, wirklich aus abgetriebenen oder aus unfreiwillig abgegangenen Föten (Fehlgeburten) stammen. Wir reden ja von den 1960er Jahren – da waren in Europa Abtreibungen noch durchweg strafbar. Die Reformen des Abtreibungsparagrafen kamen erst in den 1970er Jahren. Aber selbst wenn der Fötus abgetrieben worden wäre, macht es doch einen entscheidenden Unterschied, ob er abgetrieben wurde, um Stammzellen zu gewinnen, oder ob nach einer aus einem gänzlich anderen Grund durchgeführten Abtreibung dem toten Fötus Stammzellen entnommen wurden. Im ersten Fall würde jeder, der die Stammzellen nutzt, formal an der Abtreibung mitwirken und ihr zustimmen, im zweiten Fall hingegen nicht.
 
Die Glaubenskongregation hat genau das in einer Erklärung vom 17. Dezember 2020 festgehalten, wenn sie sagt: „In diesem Fall können alle Impfstoffe genutzt werden im sicheren Bewusstsein, dass der Rückgriff auf diese Impfstoffe keine formelle Mitwirkung an einer Abtreibung bedeutet.“ Die Nutzung von Impfstoffen, die auf diesem Wege hergestellt wurden, sei daher „moralisch akzeptabel“. Eine ganze Reihe von Bischofskonferenzen hatte sich schon zuvor im gleichen Sinn geäußert. – Das Bittere, wenn auch wenig Überraschende ist, dass die Konservativen sich vom Vatikan nicht überzeugen lassen, sondern eher eine Verschwörung wittern und annehmen, dass der Vatikan mit der Pharmaindustrie unter einer Decke steckt. Wenn der Papst nicht ihrer Meinung ist, dann täuscht sich auf jeden Fall der Papst.
 
Es ist mir ein großes Anliegen, dass sich jedeR seine/ ihre eigene Meinung bildet und entscheidet. Aber es ist mir ebenso ein großes Anliegen, dass diese Entscheidung auf einer sachlich korrekten Grundlage fällt und nicht irgendwelchen Fake-News folgt.

In diesem Sinne wünsche ich ein gutes Vorankommen in schwierigen Wochen,
 
Michael Rosenberger