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Pilgern durch die Coronakrise - 28. Mai 2020

Liebe Pilgernde im Warten auf den Heiligen Geist,
 
meine letzte Mail hatte ich mit diesen beiden Sätzen geschlossen: Die spannende Frage wird sein, wie es nach der Corona-Krise sein wird. Verliert das Christentum als alte, müde gewordene Religion weiter an Boden? Oder gewinnt es durch die Krise neue Lebendigkeit und zieht wieder deutlich mehr Menschen an? Kurz vor Ende dieser vielen Rundmails frage ich mich daher, was die Kirche(n) aus dieser Krise lernen könnten oder lernen sollten. Vieles wird sich erst aus dem Abstand zeigen. Doch Manches ist schon jetzt offensichtlich. Sechs Impulse möchte ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit nennen:
 
Die Hauskirche gegenüber der Pfarrei und der Weltkirche aufwerten: In der Krise spielte sich das religiöse Leben praktisch komplett in den eigenen vier Wänden ab. Oder es spielte sich gar nicht ab. Ich fand es bewundernswert und berührend, die vielen Erzählungen zu hören oder zu lesen, wie Menschen mit einem Mal selbst Verantwortung für das religiöse Programm übernommen haben. Das ist ein riesiger Schub an religiöser Mündigkeit, der sich da in wenigen Wochen ereignet hat. Und er ist gut. Denn wenn wir genau hinsehen, waren wir in früheren Jahrhunderten schon weiter – in beiden großen Konfessionen des deutschen Sprachraums. Jetzt haben wir neu begonnen zu entdecken, was Hauskirche alles sein kann. – Von den hauptamtlichen SeelsorgerInnen erwarte ich mir, dass sie in den nächsten Jahren Menschen für hauskirchliches Leben sensibilisieren, ermächtigen und ertüchtigen. Dazu gehört die Bewusstseinsbildung ebenso wie ein weitaus besseres Angebot an Material im Internet. Ich bin gelinde gesagt erschrocken, als ich merkte, dass es für die Bitttage keine guten Modelle im Internet gibt. Das darf doch nicht wahr sein! Da schwirren alle möglichen und unmöglichen Gottesdienstvorschläge durchs Netz, aber nichts für die Bittprozessionen? Wir sollten uns also alle gemeinsam Gedanken machen, wie wir eine Kultur der Hauskirche neu entwickeln können.
 
Die Hauskirche weit denken: Nicht jedeR lebt in einer Familie, und nicht jede Familie ist aus eigenen Stücken in der Lage, Hauskirche zu werden. Das Pfingstfest, das wir in einigen Tagen feiern, ist der Tag der offenen Tür für die Kirche. Kirche ist gerufen hinauszugehen. Viele haben das in den letzten Wochen mit großer Kreativität gelebt: Haben auf dem Balkon oder im Garten Kirchenlieder gespielt oder gesungen; haben an der Ecke von aneinandergrenzenden Gärten Gottesdienst gefeiert; haben sich an Ostern zu einem gemeinsamen Gebet über Video verabredet. Ganz selbstverständlich haben sie gespürt, dass der Glaube nach draußen drängt, nach Begegnung ruft. Diese Entdeckung müssen wir weiterentwickeln und verbreiten. 
 
Die Kirchenmusik pflegen und stärken: Schon in Normalzeiten ist Kirchenmusik eines der stärksten Pfunde des kirchlichen Lebens. Rein numerisch ist die Musik der größte Bereich ehrenamtlichen Engagements in der Kirche, und kirchenmusikalische Angebote locken insgesamt mehr Menschen in die Kirche(n) als die feierlichsten Gottesdienste der Hochfeste. Herzstück der Kirchenmusik ist und bleibt aber der Gesang aller. In Corona-Zeiten waren jene glücklich, die über ein Repertoire an Kirchenliedern verfügen konnten und sich trauten, es zu singen oder zu spielen. Ob für sich allein – schon das hat große Wirkung auf unsere Seele – oder in kleiner Gemeinschaft oder eben auf dem Balkon oder im Garten für die gesamte Nachbarschaft. „Wer singt, betet doppelt“, das hat zwar nicht wie oft behauptet Aurelius Augustinus gesagt, aber es trifft zweifellos die Sache.
 
Das Kirchengebäude gastlicher und anregender gestalten: Wie viele Menschen sind in den letzten Wochen in eine Kirche gegangen, um eine Kerze anzuzünden! Sollte man das irgendwie am Kerzenverbrauch messen können, würde vermutlich eine deutliche Steigerung herauskommen. Mit diesem Ritual bieten wir etwas an, das die Kirche Tag für Tag zu einem Haus des Gebets macht. Während der Corona-Krise gab es Länder, in denen die Kirchengebäude zugesperrt werden mussten. Ich hätte laut aufgeschrien, wenn das auch in Österreich oder Deutschland der Fall gewesen wäre. Kirchen sind offene Orte, gerade in Krisenzeiten, und so viele Menschen sind nie gleichzeitig darin, dass sie nicht die Abstandsregeln einhalten könnten. – Aber die Kirchenräume, die ich während der letzten Wochen betreten habe, sahen sehr unterschiedlich aus. Manche Pfarreien (und ich weiß es auch von etlichen von euch/ Ihnen) haben ein Fürbittbuch aufgelegt, in das die Kommenden ihre Anliegen schreiben können. Das wurde teilweise für ergreifende Beiträge genutzt. Manche Pfarreien haben einen Ort der Kirche besonders gestaltet, zum Beispiel das Evangelienbuch geschmückt und aufgeschlagen ausgelegt oder mit Eglifiguren eine Bibelstelle der Kar- und Ostertage dargestellt. Manche haben auch sehr aktuelle, zur Situation passende wechselnde Textimpulse ausgelegt (die eine oder der andere auch meine Mails). Nach der Krise sollten wir in dieser Richtung weiter überlegen – und viel Energie darauf verwenden! Was vermitteln wir jemandem, der für ein paar Minuten des Nachdenkens in unsere Kirche kommt? Erweckt sie den Eindruck, da habe jemand die Kirche genau für IHN oder SIE hergerichtet? Oder hat man den Eindruck, da sei seit Jahren nichts verändert worden? Beim Schriftenstand (oft mit Werbematerial für ungezählte Veranstaltungen und mit jahrzehntealten frommen Schriften) gilt es damit anzufangen, aber sich nicht auf ihn zu beschränken. Wenig, doch gut und aktuell.
 
Seelsorgegespräche wieder mehr in die Mitte des Angebots rücken: Ich habe in  den letzten zehn Wochen so viele Seelsorgegespräche geführt wie wahrscheinlich in 33 Priesterjahren noch nie in so kurzer Zeit, per Brief und Mail, per Telefon und Videotelefonie, und nach den ersten Öffnungen auch real von Angesicht zu Angesicht im vorgeschriebenen Abstand oder auf einem Spaziergang. Viele dieser Gespräche waren durch meine Rundmails angeregt, und ich hatte ja ausdrücklich dazu eingeladen. Telefonseelsorge und Internetseelsorge berichten Ähnliches. Aber ich habe auch von Priestern und PastoralreferentInnen gehört, die Gespräche nicht von sich aus angeboten und dafür Räume geschaffen haben; die mehr oder weniger untergetaucht waren. Vermutlich nicht aus Faulheit oder Unwillen, sondern aus Hilflosigkeit. Und die damit ihre Gläubigen enttäuscht haben. Ja, das ist auch eine Erkenntnis: Wir brauchen wieder mehr Gespräche und weniger Aktivismus. Das braucht einerseits die Erreichbarkeit rund um die Uhr (nicht einer einzelnen Person, wohl aber einer Person aus einem großen Team!) und andererseits das vielfältige Signal, dass wir zum Reden Zeit haben.
 
Räume für Glaubensgespräche anbieten: Viele haben mir rückgemeldet, dass sie über jede meiner Rundmails in der Familie oder kleinen Gruppen gesprochen haben. Manche haben sich dabei an lange zurückliegende Zeiten erinnert, in denen sie für solche Gespräche eine feste Gruppe hatten. Glaube braucht das Gespräch und den Austausch. Jede Pfarrei, jeder christliche Verein, aber auch mündige ChristInnen sollten dafür Räume schaffen und Anregungen vermitteln, wo man vom Leben und den eigenen Erfahrungen zur Bibel und zum Glauben kommt, nicht umgekehrt; bottom up statt top down. Solche Gruppen gab es vor 30 Jahren viel mehr als heute. Eingegangen sind sie nicht auf Grund eines Qualitätsverlusts, sondern aus Zeitmangel. Man könnte auch sagen: Auf Grund geänderter Prioritätensetzung.  Corona bietet die Chance des Neubeginns.
 
Sicher haben Sie/ habt ihr noch weitere Impulse für die Kirche nach Corona. Darauf bin ich neugierig und gespannt. In diesem Sinne grüßt euch/ Sie
 
Michael Rosenberger
 
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich in deinem Namen wirke.  
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich Menschen anspreche.
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich dem Kind von Gott erzähle.
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich mit der Jugend diskutiere.
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn von Liebe die Rede ist.
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich Kranke tröste.
Sprich durch mich, Heiliger Geist, wenn ich deinen Himmel verspreche.
(Richard Thalmann)