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Eine Antwort von Professor Dr. Michael Rosenberger

Warum berührt die Menschen die Ankunft am Wallfahrtsort so stark?

Die „Tour der Leiden“, so wird die Tour de France, das berühmteste Radrennen der Welt, oft genannt. Selbst heute, wo offenkundig viele Teilnehmer gedopt sind (ob das dann nachgewiesen werden kann oder nicht), bleiben ihnen unermessliche Mühen und Anstrengungen nicht erspart. Wenn sie dann am Ende der Rundfahrt auf den Champs Elysee in Paris einbiegen und den Beifall der Hunderttausenden genießen, dann werden sie ähnliche Eindrücke empfinden wie Pilgerinnen und Pilger bei ihrer Ankunft am Ziel. Den ganzen Weg über haben sie sich diesen Moment vorgestellt, haben darauf hin gelebt, haben alles dafür getan, dass sie ihn erleben dürfen. Jetzt ist er gekommen.

In solch einem Moment fallen zunächst einmal sämtliche Lasten von einem ab. Man kann befreit aufatmen – in dem Bewusstsein, es geschafft zu haben. Alle Schmerzen, Anstrengungen, Entbehrungen der zurückliegenden Tage oder Wochen sind vergessen, selbst wenn sie körperlich auch jetzt noch spürbar sind. „Es hat sich gelohnt“ – so spüren die Ankommenden – und damit meinen sie nicht nur den Lohn, dass ihre Leistung, ihr sportlicher „Erfolg“ sichtbar wird. Vordergründig mag der Stolz eine Rolle spielen – und nicht selten erfährt er seine Anerkennung in Form einer Urkunde. Das darf sein, das kann bestätigen, anerkennen, ermutigen. Manchmal stehen auch Familien- oder Pfarrangehörige am Eingang der Wallfahrtskirche Spalier, applaudieren und überreichen den Ankommenden Blumensträuße. Ein schöner Brauch, der die Anerkennung und Mitfreude ausdrückt.

Tiefer als der Stolz über die eigene Leistung ist aber bei den allermeisten Pilgerinnen und Pilgern die Dankbarkeit. Sie spüren ganz klar und bewusst: Es ist nicht selbstverständlich, dass ich bis zum Ziel durchhalten konnte. Es ist nicht nur verdient, dass ich angekommen bin, sondern auch Gnade, Geschenk. Weil ich alleine nicht durchgehalten hätte, sondern die Ermutigung und Stütze der anderen brauchte; weil ich oft genug innerlich an dem Punkt angekommen war, alles hinzuschmeißen und abzubrechen; und weil ich manches Mal auf die tatkräftige Hilfe der Mitpilgernden angewiesen war. – Der eigentliche Sieger, das spüren Pilgernde deutlich, ist Gott, ist Christus. Deswegen wird in Pilgergruppen ein Kreuz vorangetragen, das mit Blumen festlich geschmückt ist. Deswegen auch singen die Ankommenden aus ganzem Herzen „Großer Gott, wir loben dich!“ Deswegen läuten beim Einzug einer Pilgergruppe in die Wallfahrtskirche alle Glocken mit festlichem Klang.

Es ist von größter Bedeutung, den Einzug in die Basilika feierlich zu gestalten und mit allen Sinnen zu genießen. Es kann kaum zu viel sein, was man dafür an Ritualen und Feierlichkeiten vorsieht. Eines aber sollte auf keinen Fall fehlen: Eine intensive und ausreichende stille Zeit vor dem Gnadenbild. Das ist der intimste Moment einer Wallfahrt. Da ist jeder Einzelne ganz unmittelbar in der Gegenwart seines Gottes. Seine allerpersönlichsten Anliegen bringt er hier vor den Herrn, um sie ihm zu lassen. Wenn ich mit Pilgergruppen unterwegs bin, dann schreiben die Teilnehmenden vorher einen Brief mit ihrem Dank und ihren Bitten, den sie im Rucksack mittragen. Am Wallfahrtsort legen sie ihn vor dem Gnadenbild ab – um ihn endgültig Gott zu übergeben. Sie übergeben ihm damit nicht nur etwas. Sie legen ihm vielmehr ihr ganzes Leben in die Hand – mit allem, was sie sind und haben.