Die Ursachen für diese unterschiedliche Wahrnehmung von Pilgerangeboten durch Jugendliche können sehr vielfältig sein. Um sie genau zu benennen, rate ich, zunächst darauf zu schauen, was Jugendliche suchen, wenn sie das Pilgern attraktiv finden: Sie suchen eine echte sportliche Herausforderung; ein unmittelbares Erleben der Natur; überhaupt ein Erleben am eigenen Leib; eine Zeit des Nachdenkens und der Sinnsuche, ja auch der Stille; und etwas, das sie selbst gewählt und mitgestaltet haben. Was Jugendliche nicht suchen, ergibt sich spiegelbildlich: Einen Spaziergang von wenigen Stunden; eine Wallfahrt mit Vier-Sterne-Komfort; eine Prozession, die jedes Innehalten durch altmodische Gebetsformen und Lieder im Keim erstickt und jede Stille ängstlich meidet; eine Gestaltung, die nichts zu denken gibt; und allzu starre Regeln mit dem ewigen Verweis „Es war schon immer so!“
Was davon im konkreten Fall zutrifft, sollte man vor Ort in aller Ruhe analysieren und erst danach Schritte überlegen, auf die Jugendlichen zuzugehen. Dafür bieten sich zwei Strategien: Einerseits kann man eine bestehende Wallfahrt „verjüngen“, einem „Facelifting“ unterziehen und jugendlicher gestalten. Das bedarf des Werbens um Verständnis beim Stammpublikum, denn sonst wird dieses sich nicht mehr mit der Wallfahrt identifizieren können und abspringen. Andererseits kann man ein zusätzliches Angebot speziell für junge Menschen schaffen – eine Jugendwallfahrt also. Dann drängt es sich fast auf, nach dem „Erfolgsrezept“ schon bestehender Jugendwallfahrten zu fragen. Im Internet findet man mehr als ein Dutzend jährlich angebotener, meist mehrtägiger Jugendwallfahrten: Nach Altötting, zum Bogenberg bei Straubing, zum Erfurter Domberg, nach Einsiedeln, Telgte, Trier, Vilsbiburg, Würzburg und an viele andere heilige Orte. Dort zu schnuppern ist sicher kein Schaden.
In jedem Fall rät es sich, dort anzuknüpfen, wo Kirche den jungen Menschen nahe ist: In einem katholischen Jugendverband, in der Firmvorbereitung (besonders wenn die Firmlinge 16 Jahre oder älter sind) und in der Schule. Unter dem Motto „Eine Schule bricht auf“ pilgern seit einigen Jahren über 100 Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte des Egbert-Gymnasiums Münsterschwarzach auf dem Jakobsweg (siehe den Bericht auf: www.wallfahrt.bistum-wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/glauben/wallfahrtsportal/wege/jakobsweg/bericht.html). Ich finde das eine großartige Idee in einer Zeit, wo viele Jugendliche über den Sonntagsgottesdienst und über die Dorfgemeinschaft nur noch schwer erreichbar sind.
Manchmal ist die Teilnahme an einer mehrtägigen Wallfahrt für junge Menschen auch eine Geldfrage. Anlässlich der jüngsten Weltjugendtage organisierten viele Pfarreien Unterstützungsfonds für Jugendliche. Wohlhabende Menschen spendeten, damit weniger vermögende Jugendliche am Weltjugendtag teilnehmen konnten. Das wäre auch bei klassischen Wallfahrten denkbar: Wohlhabende Wallfahrerinnen und Wallfahrer übernehmen – personalisiert oder anonym – eine finanzielle Patenschaft für Jugendliche und ermöglichen es, dass diese einen reduzierten Beitrag zahlen müssen.
Vor einer Schlussfolgerung sei aber trotz allem gewarnt: Wenn keine Jugendlichen bei einer Wallfahrt mitmachen, muss das nicht unbedingt am Konzept der Wallfahrt liegen. Alles haben wir Menschen auch bei bestem Mühen nicht in der eigenen Hand. „Erfolg ist keiner der Namen Gottes.“ (Martin Buber)