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Eine Antwort von Professor Dr. Michael Rosenberger

Wie kann der Wallfahrts-Boom für das Pfarreileben fruchtbar gemacht werden?

Wallfahrt boomt – Pfarrei stirbt aus. Wallfahrerinnen und Wallfahrer sind jung und beiderlei Geschlechts, aktive Gottesdienstbesucherinnen und -besucher der Pfarreien alt und fast ausschließlich weiblich. Es scheint, als hätten Pfarrleben und Pilgern kaum etwas miteinander zu tun. Ja, mehr noch: Zwischen beiden tut sich ein Gegensatz auf: Wallfahrt ist Aufbruch und Wandlung, Pfarrei ist Heimat und Stabilität. Können solche Gegensätze überhaupt zueinander finden? Sicher nicht, wenn die beiden Bereiche sich nicht bewusst und beherzt aufeinander zu bewegen. Doch wie kann das gelingen? Einige erste Ideen sollen den Weg aufzeigen, der mir verheißungsvoll scheint.

Auf der einen Seite gälte es, Pfarrwallfahrten, die es ja in fast jeder Pfarrei gibt, so zu gestalten, dass sie auf die gesamte Pfarrei ausstrahlen: Das beginnt bei der Frage, wohin eine solche Wallfahrt (ob zu Fuß oder mit Verkehrsmitteln) zieht: Welches Anliegen hat die Pfarrei für ihre gegenwärtige Entwicklung? Und an welchem Wallfahrtsziel könnte dieses Anliegen optimal „angebracht“ werden? Manchmal habe ich den Eindruck, dass Pfarrwallfahrten sehr beliebige Orte zum Ziel haben. Wie soll dann ein Impuls in die Pfarrei ausstrahlen? Auch der Zeitpunkt einer Pilgerfahrt sollte nicht allein vom ausgebuchten Terminkalender der potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmt werden, sondern vor allem von einer für die Pfarrei „heiligen Zeit“, einer Zeit, die den Kairos, den idealen Moment für Impulse darstellt. Weniger wäre hier oft mehr. Anstatt im regelmäßigen Trott jedes Jahr eine Pfarrfahrt anzubieten, die dann oft nur eine Urlaubsreise mit Morgen- und Abendgebet ist, kann eine Wallfahrt nach mehreren Jahren Pause oft mehr bewirken. Und statt immer ein neues, unbekanntes Ziel anzusteuern, könnte oft das alt vertraute, seit Jahrhunderten traditionelle Pilgerziel der Pfarrei den besseren Impuls geben.

Weiterhin: Wer ist die Zielgruppe meiner Wallfahrt? Ist es – böse gesagt – der Seniorenkreis oder die Familienrunde? Überlassen wir es dem Zufall, wer sich anmeldet? Oder sind es gezielt die jungen Menschen, die aktiven Pfarrgemeinderäte und Ehrenamtlichen an den Schlüsselstellen des Pfarrlebens, die wir anwerben? Und: Wie bindet die Pilgergruppe die Daheimgebliebenen ein? Haben sie zum Beispiel die Möglichkeit, ans Pilgerziel per Bus nachzukommen und dort die Fußwallfahrerinnen und -wallfahrer zu empfangen? Oder können sie die zurückkehrenden Pilger feierlich empfangen? Gibt es Mitbringsel der Heimkehrenden? Oder eine Kerze, die vom Wallfahrtsort mitgebracht und in der Pfarrkirche aufgestellt wird? Schließlich: Wie geht die Pfarrei mit Menschen um, die auf ihrer Wallfahrt Herberge und Gastfreundschaft suchen? Finden sie offene Türen und Herzen?

Umgekehrt muss auch das Pfarrleben so gestaltet werden, dass es für Wallfahrten im wirklichen Sinne offen ist. Eine Pfarrei, die sich als warmes Nest versteht, in dem sich die Dazugehörigen eng und warm zusammenkuscheln, wird kaum offen sein für eine Wallfahrt und deren Impulse. Denn Pilgerinnen und Pilger begegnen fremden Menschen, freunden sich mit ihnen an, lernen neue Bräuche, Ideen, Lebensweisen kennen und lassen sich davon begeistern. Pfarreien, die sich vom Pilgerboom beflügeln lassen wollen, brauchen den Mut zum Aufbruch ins Unbekannte; die Offenheit für Neues und neue Menschen; und die Kraft zur Mission, die auch im außerkirchlichen Bereich unerschrocken den eigenen Glauben bezeugt. – Was ist so betrachtet das Leitbild der Pfarrei? Allzu oft lautet dieses „Heimat geben“. Der Pilgernde aber weiß, dass die Vorstellung von einer irdischen Heimat trügerisch ist. Auf dieser Erde sind wir Wandernde.

In fränkischen Pfarrkirchen steht bisweilen auf einer Stange ein Wallfahrtsbild. Es ist das Bild jenes Wallfahrtsorts, zu dem die Pfarrei oft seit Jahrhunderten pilgert. Auf einer Stange ist es deswegen angebracht, weil es der Wallfahrt vorangetragen wird. Die Pfarrei stellt es während des Jahres nicht in die Abstellkammer. Jede und jeder Kirchenbesucher(in) soll das Wallfahrtsbild sehen und sich von ihm anstoßen lassen. Es ist zum Markenzeichen der Pfarrei geworden.